2. Teil: gute Technik - schlechte Technik
wie angedroht, wird es nochmal etwas techniklastig. Warum? Weil man wissen muss, was man guten Gewissens kaufen kann und wovon man lieber die Finger lassen sollte. Ich wiederhole mich, natürlich wieder meine private Sicht der Dinge.....
Das nachfolgende ist bitte immer vor dem Hintergrund "ich will ein SmartHome" zu verstehen. Jede Technik hat ihre Vor- und Nachteile und kann je nach Einsatzzweck passend oder unpassend sein. Man kann mit Kanonen auf Spatzen schießen und damit unnötig Geld versemmeln oder auch sozusagen mit Papierkügelchen Elefanten erlegen wollen. Dann wird man scheitern. Ich blicke jetzt nur aus dem Blickwinkel SmartHome auf die Technik.
Was ist dabei alles zu beachten? Da gibts ein paar ganz wesentliche Punkte!
1. Konnektivität / Interoperabilität
Also einfach ausgedrückt: Läuft das alles zusammen als ein Ganzes oder sind das viele kleine Inseln? So eine Insel kann wie gesagt völlig ok und sinnvoll sein, wenn man nur den Spatz braucht. Für den Elefanten (also ein langfristig funktionierendes SmartHome) hilft mir eine Insellösung aber nicht weiter. Schlicht weil, wie im Teil 1 schon angerissen, ein SmartHome von der Vernetzung aller beteiligten Komponenten lebt. Eine Rollo-Automatisierung gibts günstig im Baumarkt. Di kann aber halt nicht mit der Heizung und die Lampe dann nicht mit Rollo "sprechen". So wird das kein SmartHome.
Un damit fallen für mich schon mal 70% (oder mehr) von dem ganzen SmartHome Gedöns durchs Raster. Im Prinzip ALLES, was da so für die Allgemeinheit sichtbar kreucht und fleucht sind Insellösungen.
Ja, es gibt auch schon einen eigenen Markt mit "Dolmetschern", die versuchen aus vielen Inseln etwas ganzes zu machen und als Schnittstelle dienen, so dass doch alle irgendwie miteinander reden können. Da liegt die Betonung aber auf "irgendwie". Jedes Insel-System hat seine eigene Logik, seinen eigenen Charakter. Wenn man die versucht miteinander reden zu lassen ist das oft eher ein kleinster gemeinsamer Nenner. Da geht einiges verloren und ich hab immer den zentralen Knoten in der Mitte, der zwischen allen beteiligten vermitteln muss.
2. Zuverlässigkeit und Haltbarkeit (hätte vielleicht Punkt 1. sein sollen. Reihenfolge ist aber keine Wertung)
Ein SmartHome muss funktionieren! Es darf keine ständige "Betreuung" nötig sein. Ich möchte nicht Updates einspielen müssen, nicht prüfen müssen, ob die neueste App-Version noch alles alte kann, ob sie mit dem neuen Android/iOS noch kompatibel ist etc. Das muss einfach laufen. Punkt.
Außerdem erwarte ich ein lange Lebensdauer. Ein Haus wird normal so grob 80-100 Jahre genutzt. Ja, die Haustechnik wird in der Zeit meist 2 oder 3mal erneuert, egal ob Sanitär oder Elektro. Heißt aber trotzdem, dass mein System 20-30 Jahre funktionieren sollte! Jetzt is es schwierig von neu auf den Markt kommenden Komponenten die Haltbarkeit zuverlässig abschätzen zu können. Einfach ist das retrospektiv zu sehen, wer hier schon seit langen auf dem Markt ist und wie dessen Teile halten. Und ja, ich kennen SmartHomes mit Teilen, die dort seit 25 Jahren ihren Dienst tun.
Trotz aller Zuverlässigkeit kann aber jedes technische Teil auch mal kaputt gehen. Was dann? Gibt es den Hersteller in 5, 10, 15 Jahren überhaupt noch? Bei all den Insellösungen würde ich da stark dran Zweifeln. Der ein oder andere mag überleben, aber ob ich mich grad zufällig für den einen entschieden hab, weiß ich erst, wenn es zu spät ist. Für ein SmartHome will ich möglichst sicher gehen, dass ich auch in 20 Jahren noch Ersatzteile kaufen kann. Und auch hier gibt es Hersteller, die schon so lange Unterwegs sind und noch immer dabei sind.
Trotzdem kann auch ein Hersteller, der seit 20 Jahren in dem Bereich tätig ist, seine Strategie ändern oder pleite gehen oder aufgekauft werden. Daher ist ein ebenso wichtiger Punkt....
3. Normierte Standards verwenden
Wenn es einen gemeinsamen Standard gäbe, für den viele Hersteller produzieren und eine gemeinsame Organisation darüber wacht, dass alle produzierten Geräte sich an diesen einen Standard halten und miteinander reden können, dann ist es mir plötzlich recht egal, ob ein einzelner Hersteller in 20 Jahren noch existiert. Wenn es den nicht mehr gibt, dann gibt es andere. Das ist wie mit dem klassischen Stromnetz. Die Steckdose ist genormt. Der Stecker dazu auch. Wenn meine Waschmaschine von X irgendwann kaputt geht, weiß ich sicher, dass ich einen neue von Y kaufen kann, deren Stecker in meine Dose passt, ohne das ich die Elektroinstallation aktualisieren müsste. Das will ich auch für SmartHome.
Gibt es denn jetzt so einen Standard? Klar, sonst würd ich ja nicht so viel drum rum reden. Die technischen Anfänge gehen bis 1996 zurück. Die Grundlagen wurden zuerst in einer Europäischen Norm, seit 2006 als internationale Norm ISO/IEC 14543-3 festgeschrieben. Aktuell gibt es fast 500 Hersteller aus fast jedem Land dieser Erde, die alle Produkte nach dem gleichen Standard produzieren. Und die können alle miteinander reden, auch mit denen, die vor 25 Jahren produziert wurden.
Ach so, wir sprechen natürlich von KNX.
4. wie funktioniert KNX (ganz einfach erklärt)
Ich erklär das mal am Beispiel einer Deckenleuchte. Klassisch geht ein Stromkabel zu einem Lichtschalter und von dort weiter zur Deckenleuchte. Wenn ich zwei Schalter brauche gibt's ne Wechselschaltung. Ab drei ne Kreuzschaltung. Oder Stromstoßschalter. Bei allen muss ich aber in jedem Fall genau wissen wo ich einen Schalter brauche. Nachträgliche Änderungen sind schwierig bis unmöglich.
Bei KNX geht der Strom zu einem "Schaltaktor", also praktisch ein Relais, dem ich per Befehl sagen kann, wann es schalten soll. Vom Schaltaktor geht das Kabel direkt weiter zur Deckenleuchte.
Der "Schalter" bei KNX hängt nur am KNX-Bus, nicht am Stromnetz. Den KNX-Bus zieht man "ein mal quer durchs Haus". Man kann von überall Abzweige anklemmen. Ich kann überall am Bus eine "Schalter" anklemmen.
Wen ich den Schalter betätige, schickt der einen Befehl auf den Bus. Der Schaltaktor in der Verteilung Hängt natürlich auch am Bus und lauscht, was da so gesprochen wird. Kommt ein Befehl für ihn, führt er ihn aus. Das Licht geht an.
Ich glaub damit kann man sich die ungeheure Flexibilität dieses System schon vorstellen, wenn man etwas drüber nachdenkt. Natürlich ist es in so einer Installation völlig egal, welcher Schalter was schalten soll. Das kann ich bei Bedarf jederzeit ändern. Die Zuordnung wird zu Beginn parametriert, kann grundsätzlich aber jederzeit geändert werden. Wenn es mich nervt, dass ich immer beim Abendessen sehe, dass ich in der Küche vergessen habe Licht auszumachen, dann parametrier ich den Schalter am Esstisch eben so, dass ich damit auch das Licht in der Küche schalten kann.
Und natürlich kann nicht nur ein Schalter so einen Befehl auf den Bus schicken, sondern auch ein Bewegungsmelder oder die Wetterstation oder ein Display oder eine App am Smartphone oder was auch immer. Alles ist mit allem verknüpfbar. Egal von welchem Hersteller.
In der KNX Logik spricht man von Aktoren (das sind Geräte die etwas schalten, dimmen, bewegen etc.) und Sensoren (das sind Geräte die etwas messen, erfassen, auswerten. Auch den Druck auf den Taster) Aktoren und Sensoren hängen alle am gleiche Bus und können in alle Richtungen beliebig miteinander reden.
Ein weitere großer Vorteil, und das gehört eigentlich noch zum Thema Zuverlässigkeit, ist die Tatsache, dass es keine zentrale Instanz gibt. Und damit auch keinen "single point of failure". In den obigen Beispiel, mit dem Dolmetscher zwischen den Inseln, geht im Prinzip nichts mehr, wenn der Dolmetscher ausfällt. Wenn im KNX ein Taster ausfällt, dann kann ich eben von diesem Taster nichts mehr bedienen. Alles andere läuft unverändert weiter. Vielleicht hab ich noch an einem anderen Taster die Möglichkeit das gleiche Licht zu schalten, oder übers Handy oder notfalls parametrier ich einen freien Taster als Übergang so um, dass ich wieder alles bedienen kann. Ein Ausfall ist aber wie gesagt die absolute Ausnahme. Die Teile sind sehr robust und müssen alle zuerst eine Zertifizierung durchlaufen, bevor sie verkauft werden dürfen. Ich hab in meinem Haus mit in Summe glaub so gut 100 Geräten seit fast 14 Jahren noch keinen einzigen Defekt. Und das ist eher die Regel als die Ausnahme.
Zu dem schon ein paar mal angesprochenen Parametrieren muss man ehrlicherweise sagen, dass das zwar absolut kein Hexenwerk und keine Raketentechnik ist, ein bisschen Technik-affin sollte man aber sein, wenn man es selbst machen will. Sonst braucht es dafür halt einen Elektriker (oder guten Kumpel) der einem das (im Falle des Elektrikers natürlich gegen Bezahlung) erledigt. Es ist ja aber auch nicht so, dass man da dreimal im Jahr was dran ändern muss. In den ersten 6 Monaten gibts da meist noch etliche Wünsche, was man dann im täglichen Leben doch anders haben will, als man es mal geplant hat. Aber dann steht das irgendwann und dann soll das SmartHome ja eben still im Hintergrund funktionieren und keine ständige Betreuung benötigen. Und das tut es auch.
Gibt es Alternativen zu KNX?
Ganz ehrlich? Meiner Meinung nach nicht! Die Vorteile von internationaler Standard, 30 Jahre Erfahrung, 500 Hersteller bietet kein anderes System.
Ist KNX teuer?
Nun, ein Schnäppchen ist es nicht! Das muss man ganz ehrlich sagen. Es gibt viele Systeme die billiger sind. Ob sie unterm Strich auch preiswerter sind, bezweifle ich. Wenn ich in 10 Jahren alles komplett raus schmeißen muss, weil es den einen Hersteller, auf den ich gesetzt habe, nicht mehr gibt, dann wird aus billig schnell teuer.
Im dritten Teil dann ein paar reale Beispiele, was alles so geht und/oder sinnvoll ist.